28.07.2021 Agnes Kruczek
Lukas, erzähl doch mal wie du zu ORAYLIS gekommen und zum Experten für KI-Lösungen geworden bist?
Lukas: Ich habe Wirtschaftsinformatik an der Universität Köln studiert und im Studium schon einen Schwerpunkt auf Statistik und – wie es damals hieß – Data Mining gelegt. Von KI, Deep Learning oder Machine Learning hat zu der Zeit kaum jemand gesprochen, zumindest an den Universitäten. 2014 habe ich dann durch Zufall einen Workshop an der Uni zum Thema Business Intelligence besucht, gehalten von Jens Kröhnert, einem ORAYLIS Kollegen. Ich fand das Thema spontan faszinierend. Es kam wie es kommen musste: 2015 bin ich bei der ORAYLIS gestartet und habe sehr viel Zeit mit dem damals neu erschienenen Power BI verbracht. Ich habe Projekte umgesetzt, Presales gemacht, Trainings gegeben und Workshops gehalten. Mir hat dabei immer gefallen, dass man mit Power BI sehr nah an den Anforderungen und Wünschen des Kunden arbeitet. Das Produkt war natürlich auch cool und entwickelte sich ständig weiter.
In einem Power-BI-Kundenprojekt entstand dann beinah wie von selbst die Chance, auf Basis der in Power BI aufgebauten Lösung in das Themenfeld Machine Learning vorzudringen. Auf einmal zahlten sich die theoretischen Grundlagen aus dem Studium wieder aus. Seitdem hat mich KI bzw. Machine Learning in seinen Bann gezogen. Das Schöne an dieser Art von Projekten ist, dass hier für mich viele Fäden zusammenlaufen, die mir Freude machen, wie anforderungsgetriebenes arbeiten mit dem Kunden, spannende Use Cases, technische Herausforderungen, analytische Arbeiten und das Wichtigste: immer wieder etwas Neues!
Was mit KI gemeint ist, darüber gibt es ja viele Auffassungen. Was verstehst du darunter?
Lukas: Künstliche Intelligenz ist mittlerweile ein extrem weites Feld, die Entwicklung geht in alle Richtungen auseinander. Unternehmen und Experten überschlagen sich mit Einsatzszenarien und Zukunftsperspektiven. Eine Definition ist da gar nicht so einfach. In meinem Blogbeitrag FAQ KI habe ich KI wie folgt definiert:
„Künstliche Intelligenz ist ein Obergriff für eine Ansammlung von Methoden und Technologien, die eine Automatisierung intelligenten Verhaltens von Computern bzw. IT-Systemen ermöglichen. Hierzu zählen beispielweise Logiksysteme aus der Mathematik, wissensbasierte Systeme – manchmal auch Expertensysteme genannt – sowie für mich Schwerpunktmäßig Machine Learning (ML).“
Für mich ist immer wichtig, dass KI nichts kompliziertes sein muss. Selbst einfache statistische Modelle, wie eine Regression können eine KI-Lösung sein. Die Grundlagen und die Pionierarbeit wurden vor allem im letzten Jahrzehnt geleistet. Öffentliche Forschungsarbeiten und Open Source Communitys machen es nun möglich, dass jeder diese Technologien nutzen kann und diese in immer mehr operative Systeme und Abläufe integriert wird – oder um die Worte von Kai Fu Lee zu benutzen: „Wir sind im Zeitalter der KI-Implementierung.“
Was genau sind die Aufgaben eines KI-Experten?
Lukas: Puh, it depends. Es hängt immer etwas davon ab, in welcher Phase ein Projekt ist und welche Rolle man im Team einnimmt. Die Aufgaben reichen also von der gemeinsamen Ideengenerierung mit dem Kunden, der Beschaffung und Aufbereitung von Daten, dem Aufbau und der Evaluation eines Prototypen, der Analyse und Bewertung des Nutzen für den Kunden bis zur produktiven Umsetzung und Überwachung einer KI-Lösung. Der kleinste Teil ist meiner Erfahrung nach die eigentliche KI, also das Machine Learning.
Welche spannenden Projekte hast du bereits begleitet? Kannst du mal ein Beispiel näher erläutern?
Lukas: Eines der spannendsten und auch eines meiner ersten Projekte war das Vorhersagen von Einbrüchen in Zusammenarbeit mit dem LKA Berlin. Dort ging es darum, die Einbrüche in den nächsten 72 Stunden möglichst genau räumlich vorherzusagen. Dabei gab es sehr viel zu lernen über Einbruchsmethoden, Tatvorgang und Tatmotive. Auch war es interessant zu sehen, wie die Ergebnisse im Nachgang eingesetzt wurden und welche Erfolge hiermit erzielt werden konnten.
3/5 Wir richten Einsätze nach den ermittelten Gebieten aus, um weitere Taten zu verhindern und Täter festzunehmen. pic.twitter.com/mZO2IYgQ8L
— Polizei Berlin (@polizeiberlin) August 10, 2016
Ein anders Projekt, dass mir gut in Erinnerung geblieben ist, war die Vorhersage einer optimalen Backmenge. Backartikel sind verderbliche Ware. Backt man zu viel, wird viel weggeworfen. Backt man zu wenig, sinkt der Umsatz und die Kunden sind enttäuscht und kommen vielleicht nicht wieder. Man muss also beide Ziele im Auge behalten. Eine KI in Form einer guten Prognose kann hier Ressourcen schonen und den Umsatz steigern. Hierzu muss man viele Daten einbeziehen, wie etwa: Wo ist die Verkaufsstelle? In einer Fußgängerzone oder im Gewerbegebiet? Wie viele Öfen sind vorhanden und wie viele Mitarbeiter arbeiten an welchem Tag, um die Öfen zu bedienen? Wie oft erhalten die Mitarbeiter die Prognose? Einmal die Woche oder jeden Tag? Per Email oder noch per Fax? Welche Artikel sind in Aktion und hat das überhaupt eine Auswirkung? Viele Fragen, auf die es Antworten zu finden galt.
Im Grunde sind alle Projekte irgendwie spannend. Immer ist die Datenlage irgendwie anders, das Geschäftsmodell oder einfach nur die Technik dahinter.
Stimmt es, dass der Weg in KI-Jobs immer noch über das Selbststudium und Erfahrungen führt?
Lukas: Ich denke, es ist viel Learning on the Job dabei. Zwar kannte ich die Grundlagen aus dem Studium. Aber wenn man mal vor den echten Problemen steht, beginnt man dieser erst richtig zu verstehen. Ich sage nur: Datenqualität und Modellinterpretation. Mittlerweile gibt es aber immer mehr spezialisierte Studiengänge. Die sind, denke ich, ein guter Startpunkt. Aber man sollte sich nichts vormachen, entscheidend sind die Daten und das eigene Talent damit umzugehen bzw. noch mehr da rauszuholen.
Welche Eigenschaften und Skills sollte ein KI-Experte mitbringen?
Lukas: Fangen wir mit den harten Skills an: Ein Verständnis von den Data-Science-Grundlagen. Also: Was ist eine Klassifikation, Regression, Clustering etc.? Was versteht man unter Machine Learning Life Cycle? Erfahrungen in einer Programmier- bzw. Skriptsprache wie R oder Python. Andere Sprachen sind natürlich auch willkommen. Absolute Pflicht sind meiner Meinung nach SQL-Kenntnisse. Man muss keine DB-Administrator sein, aber man sollte schon zurechtkommen. Wie in jeder Jobbeschreibung: „Analytisches Denken“. Hier braucht man es aber wirklich. Eine allgemeine Affinität zu Daten und verwandter Technologie. Präsentieren von Inhalten und Ergebnissen. Dazu muss man die teilweise abstrakten und technischen Ergebnisse erklären oder in einfache Euro-Beträge übersetzten.
Weiche Faktoren: Spaß an Neuem. Der KI-Bereich entwickelt sich rasend schnell weiter, man sollte dabei am Ball bleiben wollen. Freude an der Zusammenarbeit mit Menschen. Man ist immer auf andere angewiesen, sei es für fachlichen Input, die Bereitstellung von Daten oder zum Austausch über neue Ideen. Als Einsiedler kommt man hier nicht gut voran. Geduld und Freude am tüfteln. Leider läuft nicht immer alles nach Plan und nicht immer weiß Google weiter.
Welche Technologien und Tools nutzt du tagtäglich?
Lukas: In unseren Projekten nutzen wir hauptsächlich R und Python für Machine Learning und – je nach Projekt – auch für die Datenverarbeitung. Immer wichtiger wird das Thema Data- -Science-Plattform und Lifecycle Management. Hier verwenden wir Azure Machine Learning Service und Mlflow. Für die Darstellung und Visualisierung von Ergebnissen nutzen wir Power BI, was sonst? Ansonsten diverse Azure Dienste wie Azure Synapse, Databricks und diverse SQL-Produkte. Grundsätzlich kann sich das Setup aber jederzeit ändern. Kaum fühlt man sich in einem Framework zuhause, braucht man ein anderes.
Menschen, die nichts mit KI zu tun haben, denken beim Begriff Künstliche Intelligenz direkt an Roboter, die Menschen die Arbeit wegnehmen und irgendwann die Weltherrschaft an sich reißen. Was kannst du ihnen abschließend dazu sagen?
Lukas: Wie die Eisenbahn, das Automobile, die Microelektronik in der industriellen Fertigung, das Internet oder das Smartphone, wird KI die Welt verändern. Die Veränderung kommt nicht von heute auf morgen, sondern jeden Tag ein bisschen. In einer vernetzten Welt wird es nichts bringen, sich dem zu verschließen. Wenn wir diese Technologien nicht einsetzten, tun es andere. Deshalb finde ich, sollten wir uns auf die positiven Potenziale von KI konzentrieren und diese nutzen!
Hier ein paar Beispiele:
KI hilft blinden zu sehen: Seeing AI app from Microsoft
KI verbessert die Erträge der Landwirtschaft und hilft die Menschheit zu ernähren: Azure FarmBeats
Wie Unternehmen mithilfe von KI die Kundenbindung verbessern: Mehr Kunden mit maßgeschneiderten Angeboten
Und wem das nicht reicht, der kann sich auch von einem Robotor segnen lassen: Realer Irrsinn: Segensroboter | extra 3 | NDR
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